Lagestabilisierung von Satelliten
5. AMSAT-Symposium Detmold 1997
von
Ralf Zimmermann
Am Ruhwehr 35
65207 Wiesbaden
Germany
Email an DL1FDT
Die ersten Amateur-Satelliten, beginnend mit OSCAR 1 am 12. Dezember 1961, trieben ohne Lageregelung durch das All. Dies bedeutet eine Einschränkung für die auf dem Satelliten verwendeten Antennen. Da die Orientierung des Satelliten relativ zur Erde nicht vorrausbestimmt werden kann, können nur Rundstrahlantennen verwendet werden. Der erzielbare Antennengewinn hält sich damit in sehr engen Grenzen.
Aus diesem Problem heraus besteht der Wunsch, die Lage des Satelliten im Raum derart zu verändern, das man mitgeführte Richtantennen auf die Erde ausrichten kann. Dadurch kann der Antennenaufwand des Benutzers auf dem Boden stark reduziert werden. Gesucht sind also Möglichkeiten, die Lage des Satelliten zu verändern und zu stabilisieren.
Alle bisher von Amateuren gestarteten Satelliten benutzen einfache Methoden der Stabilisierung. Anzuführen sind hier insbesondere:
Am Satelliten wird ein Magnet angebracht. Dieser richtet sich (und damit den Satelliten) wie eine Kompaßnadel im Erdmagnetfeld aus. Diese Methode erfordert nur wenig zusätzliches Gewicht durch die Magnete, erlaubt aber schon ein bescheidene Ausrichtung des Satelliten. Bei dieser Methode werden üblicherweise Dipole oder Groundplanes als Antennen verwendet.
Für diese Methode wird ein Ausleger an dem Satelliten montiert. Am Ende des Auslegers befindet sich eine Masse. Da die Schwerkraft der Erde mit zunehmender Entfernung zur Oberfläche abnimmt, richtet sich der Satellit dermassen aus, daß der Ausleger immer Richtung Erde zeigt.
Ein Nachteil dieser Methode ist der mechanische Aufbau des Auslegers, welcher aus Platzgründen nach dem Start ausgeklappt werden muß. Bewegliche Teile auf einem Satelliten stellen immer ein erhöhtes Risiko dar. Falls der Ausklapp-Mechanismus versagt funktioniert die Stabilisierung nicht.
Trotzdem wird diese Methode bei einigen kleinen Forschungssatelliten zur Stabilisierung verwendet.
Bei diesem Verfahren wird der ganze Satellit in Rotation versetzt. Wie aus der Physik bekannt, besitzt ein rotierender Körper (ähnlich einem Kreisel) eine gewisse Unempfindlichkeit gegenüber äußeren Störeinflüssen. Bringt man auf dem Satelliten in Richtung der Rotationsachse Richtantennen an, so zeigen diese immer in die gleiche Richtung. Ein bekanntes Beispiel für Drallstabilisierung war OSCAR 13, welcher im Dezember 1996 in der Atmosphäre verglüht ist.
Diese Antennen sind allerdings raumfest, d.h. sie zeigen nicht auf die Erde, sondern auf einen festen Punkt im All. Im günstigen Fall zeigen die Antennen während des Orbits einmal pro Umlauf direkt auf die Erde. An diesem Punkt kann man den vollen Antennengewinn ausnutzen, zu allen anderen Zeitpunkten schielt die Richtantenne an der Erde vorbei und man kann nur die Nebenkeulen der Antenne benutzen, d.h. der Gewinn verringert sich.
Um die direkte Ausrichtung der Richtantennen auf die Erde möglichst lange ausnutzen zu können, verwendet man bei der Drallstabilisierung einen stark elliptischen Orbit (AMSAT Phase 3 Satelliten) und sorgt dafür, daß die optimale Ausrichtung auf die Erde im Apogäum (dem erdfernsten Punkt) vorhanden ist. Im Apogäum bewegt sich der Satellit am langsamsten, weshalb man diese optimale Ausrichtung länger verwenden kann. Im Perigäum dagegen zeigt die Richtantenne direkt von der Erde weg, wodurch der Betrieb über diese Antenne fast unmöglich wird.
Aus den genannten Punkten ergeben sich zwei Forderungen. Zum einen muß sichergestellt werden, daß die Rotationsachse in der Bahnebene liegt. Dadurch zeigen die Richtantennen einmal pro Umlauf auf die Erde. Zum anderen braucht man (um die erste Forderung zu erfüllen) eine Möglichkeit den Satelliten aktiv auszurichten, d.h. die Ausrichtung der Rotationsachse zu verändern.
Diese Veränderung der Lage im Raum kann man durch kleine Triebwerke am Satelliten erreichen. Durch den endlichen Treibstoffvorrat begrenzt diese Methode die Nutzungsdauer. Im Bereich der Amateurfunksatelliten hat man deshalb auf ein anderes Prinzip zurückgegriffen, welches nicht auf begrenzte Ressourcen angewiesen ist. Gemeint ist damit der sogenannte Magnet-Torquer.
Auf dem Satelliten befindet sich ein Satz von elektrischen Spulen. Werden diese geeignet von Strom durchflossen, so erzeugt man ein magnetisches Feld durch den Satelliten. Dieses Magnetfeld interagiert mit dem Erdmagnetfeld und es bildet sich ein Drehmoment aus, welches dem Satelliten ein Drehmoment erteilt.
Im Prinzip funktioniert dies genauso wie ein Gleichstrom-Elektromotor. Die Erde mit ihrem Magnetfeld stellt den Stator dar und der Satellit den Rotor. Daraus ergibt sich auch die Notwendigkeit, das Magnetfeld des Satelliten zweimal pro Rotation umzupolen. Eine entsprechende Anordnung der Spulen auf dem Satelliten ermöglicht sowohl diese elektronische Kommutierung, als auch die Drehmomenterzeugung um alle drei Achsen. Mit diesem System besteht also die Möglichkeit den Satelliten in Rotation zu versetzen, sowie die Rotationsachse geeignet auszurichten.
Zwei Nachteile sind offensichtlich. Zum einen verringert sich der Wirkungsgrad des Verfahrens mit größerem Abstand zur Erde, da sich das Erdmagnetfeld mit zunehmender Entfernung stark abschwächt. Zum anderen sind die erreichbaren Drehmomente recht klein, weshalb eine Änderung der Orientierung gewisse Zeit benötigt.
Der große Vorteil der Magnet-Torquer liegt darin, daß die verwendete Energie (nämlich der Spulenstrom) durch Solarzellen gewonnen wird und deshalb praktisch unbegrenzt zur Verfügung steht.
Sämtliche Verfahren zur Lagestabilisierung setzen natürlich vorraus, daß die Lage des Satelliten im Raum hinreichend genau bestimmt werden kann. Auf dem Satelliten wird dies durch Erd-, Sonnen- und Sternsensoren erreicht, welche die Positionen der Himmelskörper relativ zum Satelliten auswerten. Auf die Sensorik soll hier nicht näher eingegangen werden.
Will man erreichen, daß die Richtantennen des Satelliten jederzeit auf die Erde zeigen, so braucht man eine Stabilisierung um alle drei Achsen.
Die übliche Methode zur Dreiachsenstabilisierung von geostationären Kommunikationssatelliten ist die Verwendung von Drallrädern. Ein Drallrad ist im Prinzip nichts anderes als ein Kreisel, also eine rotierende Masse. Das Drallrad hat einen elektrischen Antrieb, womit man es beschleunigen und bremsen kann. Beschleunigt man die Rotation des Drallrades, so dreht sich der Satellit aufgrund der Drallerhaltung in die entgegengesetzte Richtung. Dieses Prinzip erlaubt eine beliebige Ausrichtung des Satelliten um eine Achse.
In einem Satelliten werden drei solcher Drallräder verwendet, die mit ihren Rotationsachsen zueinander jeweils einen rechten Winkel bilden. Dadurch läßt sich der Satellit mittels der Drallräder frei um alle Achsen drehen. Diese Lagestabilisierung kann hohe Drehmoment erzeugen und ist nicht auf das Erdmagnetfeld angewiesen.
Diese Form der Lagestabilisierung wird bei dem neuen Satelliten AMSAT Phase 3-D angewendet, welcher im Sommer 1997 gestartet werden soll.
Durch Störeinflüsse wie Teilchenströme und Gravitation wirken äußere Kräfte auf den Satelliten. Dies führt bei aktivierter Stabilisierung mittels der Drallräder zu Problemen. Irgendwann werden sich die Störungen akkumulieren und eines der Drallräder wird seine Drehzahlgrenze erreichen. Es darf dann nicht weiter beschleunigt werden.
Daher wird ein Verfahren zur Entdrallung benötigt. Dieser Begriff beschreibt den Abbau eines unerwünschten Dralles des Satelliten. Geostationäre Satelliten benutzen hierzu kleine Triebwerke, welche wiederum Treibstoff benötigen. Im Fall von Phase 3-D kann zur Entdrallung wiederum das Magnet-Torquer-System Anwendung finden, da sich dieser Satellit im Perigäum nahe genug an der Erde befindet (ca. 5000km) um das Erdmagnetfeld effektiv nutzen zu können.
Konventionelle Drallräder verwenden Kugellager. Diese Technologie birgt jedoch ein Problem in sich. Im Vakuum des Weltraumes verändert sich das Schmiermittel in den Kugellagern. Entweder verdampft es in den Weltraum oder es verhärtet sich. Beides führt nach etwa 10 Jahren zu einem Ausfall des Drallrades. Man versucht durch redundante Systeme (mehr als drei Drallräder) diesem Problem entgegenzusteuern. Das Problem an sich, die begrenzte Lebensdauer von Kugellagern, blibt bestehen.
Eine Alternative bietet sich mit einer magnetischen Lagerung, die berührungslos arbeitet. Der rotierende Teil des Drallrades wird hierbei mittels magnetischer Felder gelagert. Ein solches Lager arbeitet verschleißfrei und besitzt daher theoretisch eine unbegrenzte Lebensdauer.
Der Nachteil dieser Technologie ist allerdings eine komplexe Elektronik, welche für die Regelung der magnetischen Felder im Lager notwendig ist. Der Aufwand für ein solches Lager ist also deutlich höher als bei einem Kugellager. Die Lebensdauer des magnetischen Lagers ergibt sich somit hauptsächlich aus der Zuverlässigkeit der verwendeten Elektronik. Solche analoge Elektronik jedoch hat in der langjährigen Erfahrung der AMSAT-Konstrukteure enorm hohe Lebensdauer bewiesen, weshalb von dieser Seite keine wesentlichen Probleme zu erwarten sind.
Das Problem der magnetischen Lagerung liegt vielmehr in der geschickten Auslegung der Regelungselektronik, die präzise auf das verwendete Lager und Drallrad angepast werden muß. Dies erfordert ein hohes Maß an regelungstechnischen Kenntnissen, um die Lagerung in jedem Fall stabil zu halten. Besonders Stoßanregungen auf das Lager stellen ein Problem dar. Bei geschickter Auslegung der Regelungselektronik [4] kann man diese Probleme jedoch zuverlässig in den Griff bekommen.
Bis zum jetzigen Zeitpunkt wurden magnetisch gelagerte Drallräder nur selten eingesetzt, der erste Satellit mit einem solchen System war der französische SPOT [5], welcher schon Anfang der 80er Jahre gestartet wurde. Seither wurde jedoch weder die Technologie verbessert, noch wurde die Lagerung nennenswert eingesetzt.
Die für Phase 3-D entwickelten Drallräder stellen einen mutigen Schritt in Richtung zukunftsweisender Technologie dar. Nach erfolgreichem Einsatz auf P3-D sollte sich auch die kommerzielle Satelliten-Industrie für das System interessieren. AMSAT kann aufgrund dieser Entwicklung ohne Übertreibung als innovativer Technologieträger im Bereich der magnetisch gelagerten Drallräder bezeichnet werden.