Entwicklung einer Auswuchtmaschine für AMSAT Phase 3-D

5. AMSAT-Symposium Detmold 1997

Ralf Zimmermann, DL1FDT @ DB0ZDF, Am Ruhwehr 35, 65207 Wiesbaden
Email an DL1FDT

Einführung

Bei der Trennung von der Trägerrakete rotieren Rakete und Satellit. Falls der Satellit eine Unwucht aufweist, besteht die Gefahr der Beschädigung des Satelliten bei der Trennung von der Rakete. Deshalb gibt es Grenzwerte für die Unwucht des Satelliten.

Um diese Grenzwerte einzuhalten muß der Satellit auf einer Auswuchtmaschine vermessen werden. Die gemessene Unwucht muß gegebenenfalls mit Hilfe von Ausgleichsgewichten reduziert werden. Um die Unwucht zu messen kann man kommerzielle Auswuchtmaschinen verwenden. Diese kosten jedoch mehrere hunderttausend Mark. Die benötigte Genauigkeit für die Auswuchtung des Satelliten ist sehr viel geringer ist als die mit kommerziellen Maschinen übliche Präzision. Zudem ist die AMSAT nicht in der Lage, eine derart kostspielige Maschine zu kaufen.

Deshalb haben Bernd Ludewig (DH5IAE) und der Autor eine Auswuchtvorrichtung konstruiert, die in der Lage ist, die im Satelliten vorhandene Unwucht zu messen. Die Entwicklung der Maschine fand von Juli 1995 bis März 1996 in Orlando, Florida, im Phase 3-D Spacecraft Integration Laboratory statt.

Diese Vorrichtung hat eine Besonderheit. Sie arbeitet im Bereich der Resonanz. Die von der Unwucht verursachten Auslenkungen werden durch die Resonanz verstärkt. Dies wird zur Empfindlichkeitssteigerung der sehr einfachen Vorrichtung verwendet. Der Nachteil ist jedoch, daß die gemessenen Signale im Bereich der Resonanz eine starke Abhängigkeit von der Drehzahl zeigen. Das führt zu der Notwendigkeit, eine Kompensation dieser Resonanzeffekte zu finden. Im Rahmen seiner Diplomarbeit [1] hat der Autor eine Methode aufgezeigt, wie man trotz der Resonanz brauchbare Meßergebnisse erhält.

Viele kommerziell arbeitende Auswuchtmaschinen arbeiten noch immer mit analoger Auswertung. Die ganze Signalverarbeitung wird mit einem Analogcomputer durchgeführt. Die hier beschriebene Maschine zeigt den Vorteil digitaler Filterung und Signalauswertung gegenüber den analog arbeitenden Maschinen.

Auswuchttechnik

Arbeitsweise der Auswuchtvorrichtung

\begin{figure}[htb] \begin{center} % \input f:/diplom/gest_pr3.tex \hspace*{1mm} Abbildung 1: Die zwei Freiheitsgrade der Aufhängung \end{center} \end{figure}

Das Funktionsprinzip ist in Abbildung 1 dargestellt. Der mittlere Teil der Vorrichtung besitzt einen drehbaren Tisch, auf dem der auszuwuchtende Satellit befestigt wird. Der feststehende Teil ist mit vier Stahlseilen aufgehängt. Von der einen Seite gesehen (Abb. 1a) verlaufen die Seile schräg, von der anderen Seite gesehen verlaufen die Seile zueinander parallel (Abb. 1b). Dies ermöglicht der Vorrichtung genau zwei Freiheitsgrade.

Der Freiheitsgrad in der y-z-Ebene ist eine Rotation um den Drehpunkt. Durch den Schnittpunkt der gedachten Verlängerungen der schrägstehenden Seile wird der Drehpunkt festgelegt. Der gemeinsame Schwerpunkt von Satellit und Auswuchtvorrichtung befindet sich unter dem Drehpunkt, wodurch sichergestellt ist, daß der Satellit ohne äußere Anregung (Fliehkräfte aufgrund der Drehung um die z-Achse) immer in die neutrale Mittelstellung zurückkehrt.

In der x-z-Ebene ist der Freiheitsgrad die Translation in Richtung der x-Achse.

Beide Bewegungen sind nur für kleine Bewegungen als ideal anzusehen. Dies ist jedoch für die Funktion der Vorrichtung ausreichend, denn besondere Präzision wird nur bei kleiner Unwucht, d.h. kleinem Ausschlag benötigt.

Theorie des Auswuchtvorgangs

Der Körper wird auf der Auswuchtvorrichtung derart montiert, daß seine geometrische Mitte auf der vertikalen Achse der Vorrichtung zu liegen kommt. Ziel des Auswuchtvorgangs ist es, den Schwerpunkt des Körpers auf diese Achse zu legen. Zudem soll die Hauptträgheitsachse (in z-Richtung) des Satelliten mit der Rotationsachse in Deckung gebracht werden. Diesen Zustand nennt man ausgewuchtet.

Vor dem Auswuchtvorgang sind diese Bedingungen in der Regel nicht erfüllt. Der Körper besitzt eine Unwucht, welche ermittelt und durch zusätzliche Gewichte ausgeglichen werden soll.

Die statische Unwucht

Bei einer statische Unwucht des Satelliten liegt der Schwerpunkt nicht auf der senkrechten Rotationsachse. Sobald der Satellit um diese Achse rotiert, entwickelt sich eine Fliehkraft. Diese wirkt in der x-y-Ebene der Vorrichtung und läuft mit der gleichen Geschwindigkeit wie der Satellit um. Je schneller sich der Satellit dreht, desto größer ist die Fliehkraft.

Diese Kraft hat eine sinusförmige Komponente in Richtung der x-Achse und regt eine Bewegung an. Mit der in der Vorrichtung vorhandenen Dämpfung und der als Rückstellkraft wirkenden Gravitation ergibt sich eine gedämpfte Schwingung mit Fliehkraftanregung. Die Bewegungsgleichung ist eine Differentialgleichung (DGL).

Die Bewegung in x-Richtung wird von einem Wegsensor in ein elektrisches Signal gewandelt und meßbar gemacht.

\begin{figure}[htb] \begin{center} % \input f:/diplom/wertetab.tex \hspace*{1mm} \caption{\label{fig.amplphas.theorie}Amplituden- und Phasenverlauf in der Theorie} \end{center} \end{figure}

Der theoretische Verlauf eines solchen Signals wird in Abbildung \ref{fig.amplphas.theorie} gezeigt. Zum besseren Verständnis wird das Signal getrennt nach Amplitude und Phase aufgetragen.

Das Verhältnis \nopagebreak \[ \Omega = \frac{\omega}{\omega_0} = \frac{\mbox{anregende Frequenz}}{\mbox{Resonanzfrequenz}} \] wird als {\em normierte Frequenz} bezeichnet. Amplitude und Phase werden über dieser normierten Frequenz aufgetragen.

Die Amplitude steigt von Null bis zur Resonanz. Bei höheren Frequenzen nimmt die Amplitude wieder ab, und strebt asymptotisch gegen einen festen Wert (in diesem Beispiel: 1). Der Höhe der Amplitude im Resonanzfall ($\Omega=1$) ist nur durch die Dämpfung des Systems festgelegt.

Zwischen der anregenden Kraft (Fliehkraft der umlaufenden Unwucht) und dem gemessenen Signal herrscht eine Phasenverschiebung. Die Phasenverschiebung bewegt sich zwischen 0 und 180$^\circ$. Im Resonanzfall beträgt sie 90$^\circ$.

Dieses Verhalten von Amplitude und Phase ist typisch für eine Resonanz.

Die Momentenunwucht

Die Momentenunwucht (oder auch rein dynamische Unwucht) liegt vor, wenn die Hauptträgheitsachse die Schaftachse im Schwerpunkt schneidet. Der Translationssensor liefert in diesem Fall kein Signal. Die Momentenunwucht erzeugt aufgrund der Fliehkraft ein Unwuchtmoment, welches eine Rotationsbewegung um die x-Achse anregt.

Ermittlung von Amplitude und Phase

Um die Berechnung der Unwucht aus den gemessenen Signalen zu ermöglichen, wird von jedem Sensor die Amplitude und Phase des Signals benötigt. Die beiden Wegsignale sind sinusförmig und haben die gleiche Frequenz wie die Anregung (Drehung um die z-Achse).

Zur genauen Bestimmung der Phasenverschiebung zwischen der Anregung und dem gemessenen Signal wird eine Korrelation verwendet. Versuche mit simulierten Signalen zeigten eine sehr sichere und genaue Auswertung, selbst bei stark verrauschten Signalen.

Im Rahmen der Phasenbestimmung durch Korrelation erhält man einen der Amplitude proportionalen Wert, der für die Berechnung der Amplitude verwendet werden kann. Um eine Aussage über die Amplituden in [\gmm] und [\gmmmm] zu erhalten, muß man diese Werte kalibrieren.

Die Korrelation vergleicht das eingelesene Signal mit einem künstlich erzeugten Sinus als Referenz. Zur Beurteilung werden die beiden Kurven punktweise miteinander multipliziert und dann aufaddiert. Die Summe ist umso größer, je ähnlicher sich die Signale sind.

Ein speziell entwickelter Korrelations-Algorithmus berechnet Amplitude und Phase der gemessenen Unwucht.

Technische Daten

Tabelle 1 zeigt ein paar technische Daten der Maschine.

Gefordert Realisiert
(von ESA)
Drehzahlbereich 0 - 80 U/min
Tragfähigkeit 500 kg
Auflösung statische Unwucht < 2500 10 gm
Auflösung Momentenunwucht < 650 20 gm$^2$
Tabelle 1: Technische Daten

Wie man erkennt wurde die geforderte Restunwucht weit unterschritten, um den Faktor 250 für die statischen Unwucht, bzw. den Faktor 30 für die Momentenunwucht.

Resümee

In etwa 1,5 Mannjahren Entwicklungszeit wurde mit Amateurmitteln eine für P3-D maßgeschneiderte Auswuchtmaschine realisiert. Sie kann durch ihre geringen Abmessungen in dem vorhandenen Reinraum verwendet werden und die erreichbare Restunwucht ist weitaus geringer als von der ESA gefordert.

Durch sinnvollen Einsatz von simpler Mechanik und rechnergestützter Auswertung konnte eine preiswerte und präzise Maschine realisiert werden.

Literatur

[1]
Ralf Zimmermann, Rechnergestützte Auswertung der Sensorsignale einer Auswuchtvorrichtung für einen Satelliten, Diplomarbeit Nr.3010, Institut für Übertragungstechnik, TH Darmstadt, 1996
[2]
Bernd Ludewig, Sensorik und Signalaufbereitung als Teil einer Auswuchtvorrichtung für einen Satelliten, Diplomarbeit Nr.3011, Institut für Übertragungstechnik, TH Darmstadt, 1996